FIERCE RUN FORCE by Steffi Platt

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MAYA: DER KUCHEN, DER MICH AUFGEGESSEN HAT

Written by Maya

Vor einigen Jahren, als ich noch in Tel Aviv gelebt habe, habe ich davon geträumt, dass ich in einem Buchladen sitze. Ich war gut angezogen und sah gut aus während ich Bücher signierte. Der Titel des Buches war "Der Kuchen, der mich aufgegessen hat". Ich kann mich ganz genau an den Einband des Buches erinnern. Er war türkis und drauf war ein riesiger Schokoladenkuchen mit lila Schlagsahne und Streuseln. Ich stand daneben und war deutlich kleiner als die Torte - natürlich war das reine Fantasie. Außerdem erinnere ich mich ganz klar, dass eine lange Schlange von Mensch aufgeregt auf den Kauf meines Buches wartete, aber leider weiß ich nicht was drin geschrieben stand.

Meine Liebe zum Backen und Kochen war immer eine "Hass-Liebe", weil sie mein eigenes Körperbild und -gefühl beeinflusste. Ich hatte im Grunde Angst vor dem Essen. Normalerweise schenke ich meinen Träumen keine besondere Aufmerksamkeit, aber dieser Traum ist mir im Gedächtnis geblieben.

Von dem Moment an, an dem ich mich erinnern kann, war ich ein fülliges Mädchen, nicht sehr dick, aber mit Sicherheit nie dünn, und ich fühlte mich nie gut mit meinem Körper. Von klein auf habe ich immer versucht meinen Körper zu verstecken, auf jegliche erdenkliche Art und Weise. Ich zog mich nie aus, wenn ich mit all meinen Freunden ins Schwimmbad ging. Kleidung, die ich trug, wählte ich ganz bewusst so aus, dass sie möglichst meinen Körper bedeckte oder sogar dünner aussehen ließ. Das war alles andere als eine gesunde Denkweise.

Kannst du dir vorstellen, wie es für ein 11-jähriges Mädchen sein muss, vor jeder Klassenfeier stundenlang vor dem Spiegel zu stehen und zu versuchen, ihren Körper komplett zu verhüllen? Mit meiner Schwester hatte ich den ständigen Vergleich vor Augen. Ich habe mich mit ihr verglichen bis es mich immer wieder zum Weinen gebracht hat. Wie konnte es sein, dass sie diesen Körper bekommen hat und ich in meinem Körper feststecke? Und wir alle wissen, wozu der Vergleich gut ist? Für gar nichts! Aber es hat lange gedauert, bis ich das wirklich verstanden habe. Es war ein sehr langer Weg.

Als ich in der Oberschule war, entdeckte ich die Welt der Diäten für mich und begann, viele von ihnen auszuprobieren, aber ich konnte letztlich keine wirklich durchziehen. Es gab immer einen Faktor, der mich davon abhielt sie dauerhaft durchzuziehen. Nach meinem Schulabschluss musste ich zum Militär, um dort meinen obligatorischen Dienst abzuleisten (in Israel gehört es dazu).

Es gibt dort auch ein Gerücht, das besagt, dass "Mädchen während ihres Militärdienstes in der Regel zunehmen". Ein Faktor, der mich definitiv störte und mir die Vorfreude nahm. Anstatt die Zeit nach der Schule und vor dem Militärdienst zu genießen, war ich nur damit beschäftigt meine Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. Alles drehte sich darum wie ich dort mit dem Essen umgehen würde und wie mir die Uniform stehen würde. Denn Uniformen sind nun mal in der Regel sehr eng und figurbetont.

Während ich meinen Militärdienst begann, hatte ich dann ganz andere Probleme, denn mich plagten sehr starke Bauchschmerzen. Es stellte sich schließlich heraus, dass ich unter dem Reizdarmsyndrom und einer Schilddrüsenunterfunktion litt. Das einzige, was ich machen konnte, war homöopathische Mittel zu nehmen und meine Ernährung bewusst umzustellen. Die Kombination aus beidem half mir tatsächlich, doch es kam nach einiger Zeit wieder, vor allem wenn ich nicht penibel auf die Ernährung achtete. Hinzukommt, dass das Reizdarmsyndrom immer auch mit der mentalen und seelischen Verfassung zusammenhängt. Zu diesem Zeitpunkt schien ich offensichtlich mental nicht stark genug zu sein, um damit umgehen zu können. Aber anders als erwartet verließ ich die Armee mit ein paar Kilo weniger.

Doch zurück zur Militärzeit, bei der ich mich nicht nur an meine Ernährungsprobleme erinnere, sondern auch an die Sportprüfungen, mit denen ich hin und wieder konfrontiert war. Diese sahen wie folgt aus: wir mussten 2 km laufen (ich war zu dem Zeitpunkt keine Kämpferin), Liegestütze und einige andere Übungen machen. Ich war nicht einmal dazu in der Lage diese Prüfungen durchzuziehen. Und das auch nur, wenn ich es überhaupt versucht habe. Meistens habe ich mir irgendeine Ausrede gesucht, um nicht an den Prüfungen teilnehmen zu müssen. Da war ich noch weit von meinen heutigen Ich entfernt.

Nach der Armee war das Thema Gewicht und abnehmen immer noch sehr präsent. So schlug mir meine Mutter vor, mit ihr zusammen einer Gruppe zum gemeinsamen Abnehmen beizutreten. Nach einigen Bluttests, die wegen meiner Schilddrüsenunterfunktion notwendig waren, konnte es losgehen. Ich war so aufgeregt und versprach mir, dass es dieses Mal anders sein würde. Und zum ersten Mal war ich wirklich streng mit meinem Speiseplan, ich fing an, viel zu trainieren und Gewicht zu verlieren. Nach drei Monaten als das Programm zu Ende war, war ich diejenige, die am meisten Gewicht und Fettanteil verloren hatte. Unglaublich - ich konnte es nicht fassen. Was ein Erfolgserlebnis. Es rührte mich zu Tränen, ich war so glücklich und überrascht, dass ich es war, die Erste wurde.

Ich war einfach überglücklich, und all meine Ängste und mein innerer Widerstand schienen verschwunden zu sein. Leider nicht ganz!

Doch eine Sache blieb, die viele Menschen nicht erkennen. Denn viele denken und auch ich glaubte dran, dass das persönliche Glück davon abhängt, wie man aussieht oder welche Jeansgröße man trägt. Ich hatte abgenommen und ich spreche nicht nur von 5 kg, sondern von deutlich mehr. Es ist nicht nur eine neue Konfektionsgröße, die man auf einmal trägt, man muss auf einmal lernen damit zu leben. Vielleicht klingt es seltsam, wenn man es selber noch nicht erfahren hat, aber so sieht die Realität aus. Mit dem neuen Aussehen und neuen Klamotten ist man nach außen ein neuer Mensch, aber innen drin ist man immer noch dieselbe Person. Die Person, die ihre Ängste hat und in diesem Teufelskreis noch immer versteckt. Fast 4 Jahre lang konnte ich mein neues Gewicht und Äußeres halten. Doch ich musste in der Zeit viel durchmachen und habe einfach mein ganzes Gewicht, und mehr, wieder zugenommen. Plötzlich begann auch meine Schilddrüsenunterfunktion alles wieder durcheinander zu bringen, zu Beginn sah ich es als Leichtes die Krankheit als Ausrede zunehmen. Ich ließ es passieren.

Doch als ich nach Tel Aviv zog, beschloss ich, mit dem Laufen anzufangen. Ich schloss mich einer Laufgruppe an und entdeckte den Vorteil für mich. Die Gruppe, die Gemeinschaft und die Unterstützung untereinander lerne ich ganz neu kennen und fühlte mich direkt wohl, obwohl ich laufen eigentlich in der Vergangenheit nichts abgewinnen konnte. Ich glaubte, wenn ich mit dem Laufen anfangen würde, würde ich schnell wieder abnehmen, aber das ist keine magische Lösung, es gibt keine. Gleichzeitig wusste ich auch, dass viele Menschen Probleme mit ihrer Schilddrüse und ihrem Körperbild haben, ich bin nichts Besonderes, aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich etwas mehr darunter litt. Es musste da etwas Tiefgründigeres in meinem Kopf geben, das einfach alles blockiert. Aber ich entschied trotzdem weiter zu laufen, weil ich spürte, dass es mir Kraft und vor allem Mut gab, mit meinen Ängsten und meinem ihren Widerstand umzugehen. Es eröffneten sich plötzlich ganz neue Situationen, von denen ich nie erahnt, hätte sie, zu durchleben. Ich begann mir Ziele zu setzen und erreichte sie auf einmal auch. Ich fing an, aufrichtig zu mir zu sein und vor allem auch stolz auf das was ich plötzlich geschafft habe.

Als ich nach Berlin umzog, sah ich es als Gelegenheit für mich einen neuen Abschnitt zu beginnen. Es erwartet mich eine neue Stadt, neue Menschen, warum nicht sogar ein neues Ich? So funktioniert das Leben aber nicht. Am Ende ist man so, wie man ist, und man kann nur daran arbeiten, sich zu verbessern, denn es gibt keinen Reset-Button. Wir sollten uns annehmen, wie wir sind, denn dafür werden wir von unseren Mitmenschen, Freunden und Familie geliebt. Es wär doch schade, wenn wir alle gleich wären und die Zeit damit verschwenden uns nicht selbst zu lieben.

Also beschloss ich, weiter an mir selbst zu arbeiten, um mich zu verbessern. Verbessern im Laufen zu werden und das mit der richtigen Hilfe. Lange Zeit träumte ich davon mir größere Laufziele zu setzen, aber ich hörte immer wieder auf die Stimmen in meinem Kopf und die derjenigen, die sagten, dass es wegen meines Gewichts unmöglich sein würde. Aber da war auch eine kleine Stimme in mir, die sagte: Fang einfach an und schau wie es läuft und entscheide dann wie es weitergeht. Nach einiger Zeit gab ich dieser kleinen Stimme endlich Raum.

Ich tat drei Dinge:

1. Ich schloss mich zu der Zeit einer Laufcommunity an,

2. ich begann, mit Adi, meiner persönlichen Trainerin, zu arbeiten, die eine meiner größten Inspirationen ist.

3. Und als Drittes setze ich mir neue Ziele und nahm mir vor diese auch tatsächlich zu erreichen.

Allen drei Dingen hilft vor allem sich mit unterstützenden Menschen zu umgeben, die deine Ängste wirklich verstehen. Auch Steffi ist eine Person davon. Sie bot mir die Chance bei "Projekt Fearless" mitzumachen. Über ihrer Frage war ich wirklich ein bisschen überrascht und dachte mir: "Ernsthaft? Ich bin normalerweise die Letzte, die bei so etwas gefragt wird. Weshalb ich mich selbst fragte… wie kommt es, dass ich gefragt wurde..." Aber was ich daraus gelernt habe, dass es beim Laufen in einer Community nicht darum geht, die Schnellste zu sein, es geht um so viel mehr als das. Und dafür bin ich Steffi sehr dankbar.

Letztlich habe ich nicht wie gewünscht abgenommen, habe immer noch Probleme mit der Schilddrüse, und auch mit meinem Körperbild, aber - und das ist ein großes Aber - ich habe gelernt, dass der Versuch, es zu verbergen oder zu verdecken, zweifellos das Schlimmste ist, was man sich selbst antun kann. Steh zu dir und deinem Körper. Ich sage nicht, dass du es zwingend auf sozialen Medien veröffentlichen musst, aber finde jemanden in Ihrer Nähe oder einen sicheren Ort für dich, dem du vertraust, und spreche darüber. Es ist nichts, wofür man sich schämen muss.

Ich habe beschlossen, an mir zu arbeiten, und das tue ich jeden Tag. Ich tue es, weil ich mich um mich selbst kümmere, und ich übernehme Verantwortung für mich und meinen Körper, und das ist eine der Gaben, die ich vom Laufen gelernt habe.

Vor 10 Jahren hätte ich wahrscheinlich über den Gedanken gelacht, 1 km zu laufen. Heute bin ich 7 Halbmarathons gelaufen! Heute weiß ich, dass ich es schaffe, auch wenn ich dafür doppelt so lange brauche wie alle anderen, das ist mir egal. Ich weiß jetzt, dass es nicht auf die Größe ankommt; wenn man die Dinge klug angeht, kann man Orte oder Ziele erreichen, von denen man nie dachte, dass man sie erreichen könnte.

Ich bin sehr stolz darauf, ein Teil von FIERCE RUN FORCE zu sein und meinen sicheren Ort gefunden zu haben. Wie gesagte, ich war mir lange nicht bewusst, dass ich weiterkommen werde und vor allem über mich hinauswachsen kann und das dank meiner Crowd und meiner Arbeit, die ich jeden Tag in mich investiere. Denk immer daran, dass die kleinen Schritte auch wichtig sind.

Vielleicht sollte der Inhalt meines Buches in meinem Traum ungewiss sein, damit ich es mit all dem Inhalt füllen, den ich mir für mich wünsche und anderen helfen kann.