FIERCE RUN FORCE by Steffi Platt

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STEFFI: MEIN ERMÜDUNGSBRUCH - MEINE GRÖßTE ZWANGSPAUSE

📸 by @vivekvad

Geschrieben von Steffi Platt

2019. Mein Jahr der Verletzung. Ich hatte nie wirklich eine ernsthafte Verletzung. Immerhin habe ich fast 8 Jahre Leistungssport betrieben und bin glücklicherweise relativ verletzungsfrei geblieben bzw. musste keine dramatischen Verletzungen durchstehen. (Abgesehen von der ein oder anderen Kleinigkeit und das Ziehen hier und da - gehört irgendwie dazu.)

Aber das sollte leider nicht so bleiben. Es war der 6. Februar 2019, der Tag, an dem ich mein MRT hatte. Einen Tag nach einem Videodreh mit Nike, der neben einem Interview, auch aus einen Laufteil bestand. Zu diesem Zeitpunkt bin ich seit fast 3 Wochen nicht mehr gelaufen und wusste nicht, wie es enden würde. Ich kann nur sagen, es war nicht ohne. Jeder einzelne Schritt fühlte sich unglaublich schmerzhaft an, und das Schlimmste war das ständig Anlaufen und abrupte Stehen bleiben. Meine Schmerztoleranz ist eigentlich ziemlich hoch, aber es war fast unerträglich. Hinzu kommt, dass ich eher zu den Menschen gehöre, die sich so schnell nichts anmerken lassen - egal wie schmerzhaft. Da ich mit jedem Schritt spürte, dass mein Schritt alles andere als rund und kraftvoll war, überlegte ich mir, dass es wohl besser sei den Laufpart abzubrechen und gab der Filmcrew bescheid. Daraufhin ändert wir spontan den Plan. Eigentlich war der ursprüngliche Plan, dass es darum geht, dass ich eine der schnellsten Läuferinnen in der Laufcrew-Szene in Berlin bin. Daraus machten wir dann die passionierte Läuferin, die auch mal verletzt ist und wie sie damit umgeht.

Viele Athletinnen und Athleten verletzen sich während ihrer Laufbahn, aber auch Freizeitsportler, vor allem dann, wenn sie sich sehr ambitionierte persönliche Ziele setzen. Oft gerät man dann in eine Situation, in der man gefühlt Scheuklappen auf hat und nur noch das Ziel sieht und alles andere verdrängt. Besonders Läuferinnen laufen Gefahr, dass ein Stressfrakturen das Resultat ist, aber warum? (Liebe Ärzte, dem würde ich gerne nochmal genauer mit euch auf den Grund gehen, meldet euch gerne dazu.)

Eine Art der Verletzung, die erfahrungsgemäß für jeden Profi eine “große Bedrohung” darstellt. Wenn man sie hat, dann fällt sie oft sehr langwierig aus und so werden oft langfristige Pläne und große Ziele durchkreuzt und auch besteht die Gefahr rückfällig zu werden. Obwohl sie für mich als ehemaliger Leistungssportlerin, zu der Zeit, sehr präsent war, dachte ich nie wirklich, dass es mich treffen könnte und schon gar nicht nach dem ich den Leistungssport bereits beendet habe.

Aber zurück zu dem Tag, an dem ich mein MRT hatte, am Tag nach dem erwähnten Videodreh. Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern als mich der Arzt ziemlich beeindruckt (aber nicht auf positive Art und Weise) ansah und sagte: "Ok, ich sehe eine ganz frische und eine ältere Fraktur”, und drehte gleichzeitig den Bildschirm zu mir. Ich habe in diesem Moment an nichts anderes gedacht außer...wow... ich kann tatsächlich diese massive Lücke in meinem Knochen im Kreuzbein sehen. Sonst fühlte ich mich gedankenleer und vernahm nur noch, dass er noch hinzufügte: “Es handelt sich um einen Ermüdungsbruch 3. Grades von 4 Graden.”

Was sagt man dazu? Jackpot? Wenn schon, denn schon und dann auch richtig?

Ich fühlte mich ziemlich leer und brauchte den Heimweg, um zu realisieren was da mit meinem Körper los war und darüber nachzudenken wie das passieren konnte. Mir schoßen nur noch Fragen durch den Kopf: Was habe ich mit meinem Körper gemacht? War der Videodreh am Vortag eine vernünftige Entscheidung? Wie konnte gerade mir das passieren? Ich spürte wie mich ganz langsam ein Gefühl der Enttäuschung übermannte. Ich musste erkennen, dass ich für eine sehr lange Zeit nicht laufen darf. Eine Botschaft, die für einen Sportler das Schlimmste bedeutet. Sich so wenig wir möglich zu bewegen und das auch im Alltag!? Weder langes Gehen noch Rad fahren sollte ich!? Wie soll das gehen? Das widerspricht vollkommen meinem Lebensstil.

Im ersten Moment fühlt es sich immer unfassbar ernüchternd an, aber alles hat sei Gutes oder zumindest sieht man am Ende jedes Tunnels - Licht. Es besteht immer Hoffnung. Es ist nicht das Ende der Welt, es ist eine absehbare Zeit. Eine Zeit, in der man sehr viel lernen kann, über sich selbst und vor allem den eigenen Körper. Machmal muss eben seine Gewohnheiten ändern. So lockt einen das Leben aus der eigenen Komfortzone und genau so muss man es auch annehmen. Als Herausforderungen und nicht als Bestrafung.

Mein Arzt des Vertrauens machte mir Hoffnung, in dem er mir sagte, dass ich meine tägliche Bewegung an meinen Schmerz anpassen sollte. Aufhören, wenn es weh tut. Eigentlich haben wir dafür ein natürlicher Reflex, aber als Sportler*In trainiert man sich diesen gerne ab, um über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Am Anfang war es gar nicht so einfach richtig zu agieren, da der Scherz gefühlt permanent da war. Selbst beim Sitzen auf der Arbeit. Denn krankschreiben kam für mich nicht in Frage, das war meine ganz persönliche Entscheidung - keine Empfehlung. Jeder einzelne Schritt erinnerte mich an diese massive Lücke (der Bruch) in meinem Kreuzbein und machte mir gleichzeitig irgendwie Angst. Aber auf der anderen Seite half mir dieses Szenario in meinem Kopf, ganz genau auf meinen Körper zu hören und nicht zu übertreiben, sondern mit Ruhe und Bedacht durch den Alltag zu schreiten.

Solch eine Verletzung macht einem ziemlich eindringlich bewusst, wie wichtig es ist auf den eigenen Körper zu hören, denn wir haben nun mal nur diesen einen. Der Ermüdungsbruch war ein herber Rückschlag für mich, denn ich hatte große Pläne für das Jahr. Wollte eine neue Bestzeit im Halbmarathon laufen und auch das ein oder andere Rennen im Ausland bestreiten. Pustekuchen. Für mich hatte das Leben eine neue Aufgabe. Ich musste mich zurücknehmen, nicht nur sportlich auch beruflich. Achtsamkeit war das Zauberwort. Stress reduzieren und Erholung steigern. Zum Glück kann ich auch mindestens so gut anfeuern, wie ich rennen kann. So fand ich auch meine positive Energie wieder und konnte meine ganze Passion als moralische Unterstützung bei Trainings und Rennen herauslassen. Von der Treppchenstürmerin zur Rampensau.

Manchmal muss man wieder auf den Boden der Tatsachen geholt werden und lernen, dass man jeden Tag, den man Laufen darf, dafür auch dankbar ist und es in Maßen tut. Wenn man es nicht einsieht, hilft es manchmal auch noch einen drauf zu setzen. Denn so fragte ich einen befreundeten Arzt, was im schlimmsten Fall passieren könnte. Seine Antwort war: "Es kann vollständig brechen." - Meine Reaktion war: “Ok - und was bedeutet das genau?” - Er antwortete: "Man kann daran sterben."

Wenn du wissen willst, wie das geht, frag am besten einen Sportmediziner. Das zeigt aber auch, wie ernst wir solche Verletzungen nehmen sollten. Es ist unser Körper, und wenn er danach schreit, dass es so nicht mehr weitergeht, dann ändere was. Es war sehr unverblümt von mir ihn zu fragen, aber es hat mir wirklich geholfen, es nicht zu übertreiben und zu früh wieder ins Training einzusteigen. Der Wiedereinstieg hieß ganz klein anzufangen, eine lange Auszeit durchzustehen und das Beste aus der Zeit zu machen. Gleichzeitig aber auch damit klar kommen, dass dein sportliches Umfeld sich auf den Berliner Halb- und Marathon vorbereitet. Manchmal ist auch das sehr schmerzhaft, wenn alle davon reden, dass sie fleißig trainieren und wie gut es gerade läuft. Was hilft dann? Vielleicht auch mal sagen, dass es gerade zu viel ist oder sich eine Zeit lang auch mit anderen Themen umgeben. So musste ich für mich schweren Herzens entscheiden, dass ich es mental nicht schaffe beim Berliner Halbmarathon an der Strecke zu stehen und begeistert mein Team anzufeuern. Ich brauchte den Abstand und das auch räumlich, um meinen Weg durch die Verletzung zu bestreiten und so fuhr ich für das Wochenende in meine Heimat. Es half und so konnte ich zum Berliner Marathon wieder mit voller Energie beim Cheeren alles geben und mich für mein Team über ihre Erfolge freuen. Es war mir schon immer wichtig, sich mit anderen zu freuen und daraus Motivation und Zuversicht zu gewinnen.

Man muss sich in der Verletzungszeit immer wieder bewusst machen, dass man das Laufen nicht komplett aufgibt. Man kommt ja wieder zurück und wird es dann umso mehr genießen. Das Comeback ist das größte Ziel und ähnlich wie ein Rennen, arbeitet man auch drauf hin. Wenn man weiß, wie es ist, Rückschläge zu erleiden, dann ist es um so schöner wieder zurückzukommen und das meist noch stärker als zuvor. Für mich bedeutete mein Comeback, mehrere Etappen zu durchlaufen. Zunächst einmal musste ich etwa 3 Monate Pause machen, aus denen schnell 5-6 Monate wurden. Nach einem halben Jahr durfte ich wieder mit einer Walk-Run-Walk-Methode beginnen, d.h. man fängt sehr klein an - wirklich klein. Es sind nur 200 Meter Gehen, Laufen, Gehen und das jeden zweiten oder dritten Tag. Mit jedem neuen Tag gehen-laufen-gehen werden es 100 Meter mehr oder auch mehr Wiederholungen. Das Schwierigste daran war für mich, dass ich mich überwinden bzw. zurückhalten musste und wirklich nur gehen durfte und dann auch noch auf einer Laufbahn. Wie unangenehm als ehemalige Leistungssportlerin, so “unsportlich” dazustellen. Aber ganz ehrlich, das ist nur in deinem Kopf und da muss man eben drüberstehen. Gesagt - getan. Ende Juni war es soweit ich lief mein ersten vollen 5 km und von da an durfte ich jede Woche 1 km mehr laufen. Diese 5km wurden relativ bedeuten für mich, denn früher wäre ich nie dafür vor die Tür gegangen. Ich sagte mir immer, da lohnt es sich gar nicht für anzuziehen, das ist mehr Aufwand als 5km zu laufen. Aber diese 5km wurden zu meiner neuen Routine für das restliche Jahr.

Ein Jahr voller Learnings und viel Geduld! Und schließlich fühlte ich mich im November nach meiner letzten orthopädischen Behandlung geheilt. Ich war bereit für mein Comeback, das mit einem ersten Platz beim Hindernisrennen von RUNLETICS erfolgreich belohnt wurde.

Mein Ratschlag, den ich gerne weitergeben mag: Nehm dir die Zeit, und du wirst stärker als je zuvor zurückkehren. All die harten Trainingseinheiten, die du vor der Verletzung absolviert hast, sind deine Grundlage auf der du aufbauen kannst und noch besser wirst als vorher. Nur wenn du es am Anfang ruhig angehen lässt, wirst du erfolgreich zurückkommen und zwar wie der Phönix aus der Asche. Es sind die kleine Schritte, die dich nach dem schweren Rückschlag nach vorne bringen und mental und körperlich stärken.

Kleine Randbemerkung: Etwa ein Jahr, nachdem ich meine allerersten Schritte wieder gemacht habe, bin ich mein erstes 5k-Trial-Rennen (31. Mai 2020) virtuell mit dem SKW gelaufen und habe es in 17:58 Minuten gefinished. Es fühlte sich wie ein magischer Moment an. Ich kann endlich sagen: "Ich bin zurück" und spüren wie viel Spaß es doch macht zu laufen und auch wieder so schnell zu laufen nach diesem verrückten Jahr 2019.