IWD PROTEST RUN AGAINST RACISM: International Women’s* Day Protest Run 2024

Lotta Milena

 

Demonstierend Laufend durch die Nacht VOR DEM FEMINISTISCHEN KAMPFTAG

Was braucht es, damit du dich in der Dunkelheit beim Laufen sicher fühlst? Vielleicht reichen schon eine ordentliche Stirnlampe und Reflektoren an der Laufkleidung, eventuell gibst du jemandem Bescheid und teilst deinen Standort, unter Umständen entscheidest du dich aber auch gänzlich gegen den Lauf, weil wenn man nicht laufen geht, dann kann ja auch nix passieren.

Der International Women’s* Day Protest Run, der in diesem Jahr unter dem Motto RUN AGAINST RACISM stand, setzte am 7. März, der Nacht vor dem Internationalen feministischen Kampftag, ein Zeichen dagegen. Gegen Rassismus, gegen Hass und Gewalt. Für eine Gesellschaft der Vielfalt und Toleranz. Und für eine inklusive Laufcommunity, in der sich BIPoC und FLINTA* sicher, gesehen und verstanden fühlen. Der Lauf bot dabei nicht nur Gelegenheit, durch Polizeigeleitfahrzeuge geschützt auf Hauptstraßen durch die Berliner Nacht zu laufen, sondern gab durch mehrere Stopps, an denen Speaker*innen Erfahrungen und Impulse teilten, auch reichlich Anlass zum Nachdenken und Lernen.

Fariz Hakim

Laufen mit Selbstbewusstsein

Wer gegen Rassismus die Laufschuhe schnürt, der*die braucht auch ein ordentliches Warm-Up. Jule von Pretty Deadly Self Defense sorgte mit der Vermittlung von kleinen, aber effektiven Handgriffen, Drehungen und Tritten vor dem Lauf für ein sicheres und selbstbewusstes Körpergefühl. Die Techniken, die sie vermittelt, sollen dabei Spaß machen, Stress abbauen und das Selbstvertrauen stärken. Eine ihrer wichtigsten Lektionen: auf das Bauchgefühl hören. Fühlt sich eine Situation für dich potenziell bedrohlich an, dann ist es immer okay, sich dieser zu entziehen. Denn Selbstverteidigung funktioniert am besten, wenn man sie gar nicht erst einsetzen muss.

Mit einem ordentlichen Confidence-Kick ging es dann auf die Straße. Mit dem Kottbusser Tor im Rücken gab es vor dem Start auf die 5,5 Kilometer lange Strecke, die durch die Berliner Bezirke Kreuzberg und Neukölln führte, noch eine Einführung in den Ablauf der Veranstaltung, sowie Sicherheitshinweise und die Vorstellung des Awareness-Teams. Denn eine der obersten Prioritäten der International Women’s* Day Protest Runs sind die Sicherheit und das Wohlempfinden aller Beteiligten.

Lotta Milena

Die Nacht gehört den Läufer*innen

Nach den ersten 1,6 Kilometern, den Kottbusser Damm entlang, kam die über 100 starke Läufer*innengruppe das erste Mal zum Stehen. Oumou, Co-Captain der DNA Run Crew, wies auf die Diskriminierung und Benachteiligung von Läufer*innen aufgrund von Geschlechtsidentität, Sexualität und dem Nichtweißsein innerhalb der Community hin. Sport, der nicht auf Männer ausgerichtet ist, sei in der Vergangenheit unterbewertet und unterfinanziert worden, so Oumou. Noch viel zu oft käme es dazu, dass Frauen, mit einem von Natur aus hohen Testosteronspiegel, von Wettkämpfen disqualifiziert würden. Für Oumou fehlt es eindeutig an Alternativen außerhalb des binären Gechlechtersystem, sowohl was die Anmeldungen für Sportveranstaltungen als auch die Leistungsbewertung
angehe. An oberster Stelle bedürfe es daher der Anerkennung aller Identitäten innerhalb des Sports. Und um diese zu schaffen, forderte Oumou einen aktiveren Diskurs, mehr Aufklärung und Sichtbarkeit für Läufer*innen abseits einer sogenannten Norm.

Lotta Milena


Kurz vor dem Volkspark Hasenheide wandte sich Alero, Urban Design Studentin an der TU Berlin, an die Teilnehmer*innen des Protest Runs, um Licht ins Dunkle zu bringen. Denn angesichts der Unsicherheit und des Angstgefühls, das mit unbeleuchteten Straßen und Parks einhergehen kann, sind urbane Räume insbesondere für FLINTA* und andere marginalisierte Gruppen oft genug kein Safe Space. Doch ein inklusiver öffentlicher Raum, muss nicht nur sicher sondern sollte auch nutzbar für
alle sein, unabhängig von körperlichen Einschränkungen, so Alero. Daher forderte sie, im Zeichen des feministischen Urbanismus, eine inklusivere Stadt, die unter anderem eine verbesserte Infrastruktur für Radfahrer*innen sowie ein umfangreiches und barrierefreies System des Öffentlichen
Personennahverkehres bereithält.

Fariz Hakim

Mit einem neuen Bewusstsein dafür, wie eine sichere Stadt aussehen sollte, führte die Strecke durch den Volkspark Hasenheide. Alle Protest-Läufer*innen waren angehalten, ihre Lampen und Reflektoren
auszuschalten oder zu entfernen und den knappen Kilometer durch den Park in absoluter Stille zu absolvieren. Unbehagen und Empowerment gingen dabei Hand in Hand. Allein würden sich wohl nur die wenigsten Läufer*innen auf die spärlich beleuchteten Wege der Hasenheide wagen.
In der Gruppe fühlte sich die Strecke jedoch wie eine mit Laufschuhen gewappnete Eroberung der Nacht an.

Fariz Hakim

Luft nach oben, Raum für Hoffnung

Bevor es aus dem Park wieder zurück auf den Asphalt ging, sprach Luna, Aktivist*in bei der Grünen Jugend Berlin, vor den Läufer*innen. Angesichts erstarkender konservativer, rechtsextremer und faschistischer Parteien in Europa sei es wichtig, sich klar und deutlich gegen Rassismus und
Antisemitismus zu positionieren und für die eigenen Werte auf die Straße zu gehen. Gegen jegliche Art von Unterdrückung zu sein, sei keine Frage der Bequemlichkeit, sondern eine Quintessenz der Menschlichkeit. Luna teilte vor der Gruppe eigene Emotionen, dass es manchmal durchaus
schwerfalle, sich dagegen zu stellen, dass das schiere Übel, das Menschen einander hinzufügten, zu groß und zu unumkehrbar wirke. Doch auch aus diesem Schmerz und dieser Enttäuschung heraus könne es gelingen, sich gemeinsam zu organisieren und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Lotta Melina

Am Maybachufer kam der Protest Run ein letztes Mal zu stehen. Amali, eine ehemalige Sprinterin und Hürdenläuferin aus Berlin, teilte ihre Erfahrungen aus dem Leistungssport. Was es bedeutet, in einem System trainiert zu werden, dass sich nicht für deinen Körper interessiert und sich über dessen Funktionsweise nicht ausreichend informiert, aber nichtsdestotrotz Maximalleistungen von dir fordert. Gleichzeitig würden FLINTA* im Laufsport kontinuierlich unterschätzt und unentwegt an männlichen Leistungen gemessen. Doch Veranstaltungen wie der International Women’s* Day Protest Runs seien ein Grund zur Hoffnung und ein Zeichen der Besserung.


Als letzte Speaker*in ergriff Anaïs das Mikrofon und sie ergänzte Amalis Erfahrungen: Als queere Schwarze Frau in einer weißen und patriarchalen Gesellschaft bliebe ihr konstant die Luft weg. Aufzuwachsen mit der Erzählung, dass sie nur nett und schlau genug sein müsse und doppelt so
hart arbeiten sollte, um Teil der Mehrheitsgesellschaft zu werden, habe zu nichts Geringeren als einem schmerzhaften Erwachen geführt. Denn dieses Narrativ vom Dazugehören sei nichts anderes als eine Lüge gewesen! Doch aus einer Lüge erwacht die Wahrheit und was wirklich stimme, sei die Macht der Diversität und die Kraft einer Gemeinschaft.

Fariz Hakim

Der IWD PROTEST RUN fand bereits (erneut zum dritten Mal ist etwas irreführend) zum dritten Mal statt und wurde dieses Mal nicht nur von Kathi Hoffmann (The Good Run) und Steffi Platt (FIERCE RUN FORCE e.V.) gehostet, sondern insgesamt von einem FLINTA* Collective aus Läufer*innen verschiedener Crews und Aktivist*innen wie Oumou Aidara (Athletin & Aktivistin), Jule Brasch (Pretty Deadly Self Defense | ATV 1861) , Fer Tapia (Adidas Runners) Cheryl White (BTC Berlin), Ramona Tyler (PACE Berlin/ Mikkeller Running Club) und Emily Hoffschmidt-McDonnell.

Gemeinsam wollten wir (dann schaffst du mehr Bezug zur vorherigen Auflistung) nicht nur Raum schaffen, um Rassismus und Sexismus anzusprechen, sondern auch Solidarität fordern und mal ordentlich laut sein (gegen Fehlentwicklungen im Hobby- wie im Profisport). Darüber hinaus gelang es uns mit einem Sweater bedruckt mit der Illustration zum Lauf – von Fer Tapia – Spenden für die Organisation Free to Run in Höhe von 1035 € zu sammeln. Diese Organisation setzt sich ein, dass Mädchen und Frauen in Konfliktgebieten wie Afghanistan oder Irak dabei unterstützt werden, das eigene körperliche und emotionale Wohlbefinden zu stärken. Wir wollten zeigen, dass Laufen nicht nur verbindet, sondern auch Veränderung und Zusammenhalt schaffen kann in einem System, das vom Patriarchat bestimmt ist.

Gemeinsam laufen für eine gerechtere, sichere und fairere Welt für alle.

 
 

Jasmin

Autorin

Steffi

Publisherin