SOPHIE: DER ZWIESPALT ZWISCHEN FRAUENBILD IM LAUFSPORT & DER EIGENEN GESUNDHEIT

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Geschrieben von Sophie Wallner

Die aktuelle Frauenlaufszene wird von einem Typus dominiert: mager, sehr mager!

Kein Gramm Fett darf mehr zu viel sein bei diesen optimierten Sportkörpern. Anmutig wie Gazellen scheinen sie selbst bei neuen Rekordleistungen noch federleicht ihre Stadionrunden ziehen zu können. Außenstehende Personen sprechen in Kommentaren sozialer Netzwerke bei diesen zierlichen, aber zugleich so athletischen Hochleistungsmaschinen von: „Zu dünn!“, „Hochgradig magersüchtig.“, „Gebt den Mädchen was zu essen.“, usw.

Das Frauenbild im Laufsport ist eine sehr relevante Thematik der Laufszene, mit der ich mich im Folgenden und drei weiteren Beiträgen beschäftigt habe. Neben meinen persönlichen Eindrücken aus meiner eigenen Laufkarriere, habe ich diese Wahrnehmung auch aus medizinischer Sicht beleuchtet.

Ich bin Sophie Wallner, 27 Jahre alt, wohnhaft in Hamburg, Assistenzärztin in der Orthopädie/Unfallchirurgie und war bis 2017 selbst aktive Leichtathletin (Mittelstrecke, Cross- und Berglauf).

Sind diese Profiathletinnen ungesund dünn? Ist das wirklich so?

Sind euphorische Sportfans und die Funktionäre auf diesem Auge blind, weil die Sportlerinnen dennoch beachtliche Erfolge feiern? Wird es toleriert und bedenkliche gesundheitliche Risiken in Kauf genommen, solange die Leistungen am Ende stimmen und es bei Großereignissen Rekorde und Medaillen regnet?

Spricht man auf Sportveranstaltungen mit ehemaligen Sportlerinnen, die in ihrer Jugend Sport, teilweise auf Leistungsniveau, betrieben haben, wird man schnell fündig und hört von Erzählungen zum Thema des idealen Körperschemas im Laufsport. So auch meine eindrücklichen Erlebnisse aus der eigenen aktiven Laufbahn.

Da gab es die einen, die aufhören mussten, weil sie (oder die Eltern) zu ehrgeizig waren, und sich eventuell durch zusätzlichen Druck in einer Essstörung verloren. Andere kamen dahingehen mit dem Druck, das ideale Erscheinungsbild zu erfüllen, nicht zurecht. Es waren immer wenige Gramms zu viel, die sie auf den Hüften hatten. Hinzu kamen schockierende Trainerausrufe von der Seitenlinie, wenn nicht der eigene abgemagerte Schützling, sondern eine „Fette“ gewonnen hatte. 

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Im Trainingslager gab es bei vielen Mahlzeiten harte schon fast strafende Blicke auf den Teller, wenn da mal wieder zu viel oder zu ungesundes Essen darauf zu finden war. Genauso drehten sich auch die anschließenden Gespräche um das Thema wie viele Kilogramm man noch bis zum Wettkampf abnehmen müsse oder, dass man sich mit Körbchengröße B und leichter Wölbung über der knappen Laufshorts so fühle, als könne man sich demnächst bei „The Biggest Looser“ bewerben. All diese Erlebnisse hinterlassen tiefe Eindrücke und das Gefühl, das man sich nur noch unwohl in seinem eigenen Körper fühlt, obwohl man Leistungssport betreibt. Diese Erlebnisse können daher mit ein Grund schwerer Körperschemastörungen sein, die einen teils noch Jahre später beschäftigen. 

Klar, niemand spricht gerne über solche Erlebnisse. Meist kamen sie genau zur Zeit der größten Umstellung - vom Mädchen zur Frau. Eine Zeit, in der das Selbstbewusstsein bei vielen gleich bei Null liegt. Umso angreifbarer war man in diesen Situationen und nicht selten hat das nächste Umfeld seinen Teil dazu beigetragen. Kritisierende Kommentare und Vorschriften, wie man auszusehen habe, taten ihr übriges. Doch je mehr zeitlichen Abstand man vom Leistungsport gewinnt, umso häufiger kommen sie auf, all diese kleinen Geschichten und Erfahrungen. Auch weil jeder einzelne Moment mit der Zeit und der Distanz zu diesem sportlichen Umfeld dich lehren, dass du alles andere als dick bist. Mit einer Größe 34 ist man immer noch dünner als der Durchschnitt. Man muss und kann nur langsam lernen seinen Körper zu akzeptieren bzw. merkt, dass alles gut ist, so wie es ist - und vor allem, dass man gesund ist.

Klar gibt es in diesen Fällen oft die vorgefertigte Meinung, dass diese Mädchen und Frauen doch sowieso die waren, bei denen der Kampfgeist nie zu etwas Größerem gereicht hätte oder die, die ohnehin immer nur knapp bis gar nicht die Normen für irgendwelche Meisterschaften erreicht haben. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass durch diese Erlebnisse und das vermittelte gestörte Körperschema Mädchen und Frauen der Spaß an ihrem Hobby genommen wird.

Darüber hinaus wird zum Teil sogar körperliches und psychisch schädliches Verhalten provoziert und das langfristig.

Teil 2: Size Zero bei Models ein No-Go - bei Läuferinnen keins

 
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Steffi

Editorin & Publisherin